Wie wird man eSportler im Profibereich? Interview mit Hans Jagnow
Gfinity Elite Series - © by Joe Brady
“Niemand wird im Sport weit kommen, wenn er zwar der Beste auf seiner Position ist, aber nicht im Team zusammen spielen kann.” - SportMember hat sich mit dem Präsidenten des ESBD (eSport Bund Deutschland), Hans Jagnow, über die generisch digitale Sportart eSport unterhalten. Wir haben herausgefunden, wie man Profi eSportler wird und das man neben flinken Fingern noch einiges mehr.
SportMember: Was macht der “eSport Bund Deutschland” und wofür steht er?
Hans Jagnow: Der ESBD ist die Vertretung des organisierten eSports in Deutschland und wir verstehen uns als öffentliches Sprachrohr. Wir sind ein Fachsportverband, ähnlich dem DFB oder dem deutschen Handballverband und vertreten Vereine, Teams und die bei ihnen organisierten Spieler aus dem Amateurbereich. Außerdem sind wir auch als Plattform nach innen tätig und geben eSport Vereinen und Teams die Möglichkeit, gemeinsam an Projekten über den Verband als Plattform zu arbeiten.
Seit wann gibt es den ESBD und wie viele Mitglieder haben sie bisher?
Wir haben uns im November 2017 mit 20 Gründungsmitgliedern (6 Profi- und 14 Amateurteams) und dem ESL (Electronic Sports League), als großen Veranstalter, gegründet. Wir starten bald mit dem Aufnahmeprozess und freuen uns auf zahlreiche neue Mitglieder!
Können Sie uns ein Bild von einem “typischen” eSportler geben?
Ich glaube den typischen eSportler gibt es nicht. Es gibt Menschen im Amateurbereich, die aus den unterschiedlichsten Bereichen kommen. Da sind Leute dabei, die fest im Berufsleben stehen oder Studenten und Schüler mit den unterschiedlichsten Interessen. Und gerade wenn man sich in den etablierten eSport Vereinen umschaut, findet man nicht nur Ingenieure und IT’ler, sondern auch viele Menschen aus Sozialwissenschaften oder Menschen, die im Pflegebereich oder im Kita Bereich arbeiten. Menschen, die ein Bedürfnis nach sozialer Vernetzung vielleicht auch aus ihrem Berufsleben her kennen.
Wie sieht ein Spieler im Profibereich aus?
Hier reden wir vor allem über 18-24-Jährige, die sechs Jahre auf ihren Leistungsspitzen sind. Das Einstiegs- und Ausstiegs Alter ist sehr jung beim eSport. Anders als vielleicht im Fußball oder Basketball. Das wird sich sicherlich noch ein bisschen entwickeln. Aber der typische Profi eSportler ist sehr jung, deutlich unter 30 und meistens männlich.
Gibt es also mehr Männer als Frauen im eSport?
Wir haben immer noch ein Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen in der öffentlichen Sichtbarkeit, besonders im Profibereich. Es gibt schon deutlich mehr Männer. Ich glaube aber, es gibt keine großen Unterschiede im Spiel und im Spielverhalten. Der Verband möchte stark daran arbeiten, dass sich im Bezug auf das Gleichgewicht der Geschlechter etwas tut.
Wie viel trainiert ein professioneller eSportler?
Das ist sehr unterschiedlich. Der typische eSportler wird einen großen Teil seines Tages mit dem Training verbringen, weil er auf die Leistung angewiesen ist. Das kann man in vielen Fällen fast an einem 40 Stunden Job festmachen. In Turnier-Phasen sogar mehr. Als Berufssportler ist das natürlich auch sinnvoll.
Wie sieht ein Trainingstag aus?
So ein Tag enthält sowohl das eigentlich Spiel, als auch Absprachen mit Teamkameraden und taktische Überlegungen oder Ausgleichs-Fitness und Ruhephasen. Wie viele Ruhephasen ein eSportler braucht und welche Arbeitsschutzmaßnahmen nötig sind, das versuchen wir als Verband gerade festzulegen. Ein Profi eSportler arbeitet z.B. unter den gleichen Bedingungen, wie ein Büroarbeiter. Und es ist durchaus bekannt, dass es nicht das Gesündeste ist, jeden Tag 8 Stunden vor dem Bildschirm zu sitzen. Deshalb wollen wir die grundlegenden Erkenntnisse aus dem Arbeitsschutz auch in den Sport übertragen und Dinge wie Pausenzeiten von Bildschirmen etc. als sportliche Standards festlegen.
Kann man vom eSport leben oder bleibt es ein Hobby?
Im Profibereich gibt es viele Spieler, die davon z.B. ihr Studium nebenbei finanzieren und das ist natürlich eine gute Entwicklung. Das unterscheidet uns auch von anderen Sportarten, die gerade erst im Beginn sind und nicht zu den “Major 5” sozusagen gehören. Viele eSportler können im Leistungssport von dem Beruf leben, während in anderen Sportarten für viele Sportler meistens nur eine sehr geringe Entlohnung oder Aufwandsentschädigung drin ist.
Wie wird man ein Profi?
Das befindet sich gerade sehr im Umbruch. Wir wollen da für deutlich mehr Transparenz als Verband sorgen. Es wird relativ früh nach Talenten Ausschau gehalten und gesehen, wie man sie strategisch aufbauen kann, so dass sie es später in den Spitzensport Bereich schaffen. Es gibt verschiedene Arten und Wege, wie man da z.B. von einem Team gescoutet wird. Dazu zählt eine relativ gute Leistung in den Spielen der öffentlichen Ranglisten abzuliefern oder im persönlichen Umfeld von einem der Mitspieler zu sein. Das ist aktuell aber alles noch sehr intransparent und schwer nachvollziehbar. Nur weil jemand alleine sehr gut spielt, heißt das noch lange nicht, dass er sich ins Team einordnen kann oder die sozialen Kompetenzen mitbringt, die es braucht.
Wieso wird eSport noch nicht offiziell als Sportart anerkannt?
Das ist eine Sache, die eigentlich schon längst überfällig ist. Wir haben im eSport kein Sachargument mehr, das gegen eine Anerkennung als Sportart spricht. Wir haben klare Sportstrukturen: Der Wettkampf zwischen Menschen steht im Zentrum, es geht um sportliche Werte, Fairness und Respekt vor dem Gegner und Teamkameraden. Man hört oft das Argument, eSport ist kein Sport, weil die körperliche Tätigkeit fehlt. Das ist so nicht korrekt, denn es gibt eine eigenmotorische Bewegung. Das Bedienen des Eingabegerätes passiert nach einem hochkomplexen Verfahren und die richtigen Tasten zur richtigen Zeit zu treffen ist ähnlich komplex, wie andere Präzisionssportarten, z.B. Bogenschießen oder Motorsport.
Wieso ist eine Anerkennung so wichtig?
Die gesellschaftliche Anerkennung, die damit verbunden ist, ist uns sehr wichtig. Aber auch die organisatorischen Vorteile zu haben, die als Sportorganisierung gerade im Breitensport da sind. Da freut uns natürlich besonders, dass die Koalitionsverhandlung eSport als Thema mit aufgenommen hat. Auch für viele größere Unternehmen und Konzerne, die in den eSport einsteigen möchten, ist das jetzt noch ein Grund mehr, sich damit intensiver zu beschäftigen.
Welche Tipps können Sie einem angehenden eSportler geben?
Hartes Training! Es geht nichts über hartes Training aber gleichzeitig der Pflege von sozialen Kompetenzen. Niemand wird im Sport weit kommen, wenn er zwar der Beste auf seiner Position ist, aber nicht im Team zusammen spielen kann. Richtig gut ist es deshalb, sich einen Verein, Clan oder eine Online-Organisation zu suchen, in der man mitspielen kann. Mit Menschen zusammen zu arbeiten und Verantwortung zu übernehmen ist sehr wichtig. Ich glaube das ist ein guter Weg. Und dann einfach viel trainieren und versuchen, der Beste zu werden. So simpel es auch klingt, das ist tatsächlich eine Herausforderung, die viel mit Selbstorganisation und Selbstdisziplin zu tun hat. Auch beim eSport ist es so, wer im Leistungssegment mitspielen möchte, wird das nicht nebenbei machen oder einmal im Monat in ein Spiel reinklicken können. Dazu gehört hartes Training, Übung und viel Lernen.