- Es sind nur Kinder
- Fußball ist ein Spiel
- Das hier ist nicht die Champions League
- Der Trainer macht das hier freiwillig
- Der Schiedsrichter ist auch nur ein Mensch
Schreiende Eltern auf der Zuschauerbank setzen Kinder unter Druck
Neue Kampagne soll verhindern, dass Eltern sich am Spielfeldrand unpassend verhalten, während die Kinder Sport treiben. Experten meinen, dass Eltern Eltern bleiben sollen und das Schimpfen und die Kritik den Trainern überlassen sollten.
11. Januar 2018
In Sporthallen und auf Plätzen treffen sich regelmäßig Eltern von sportinteressierten Kindern. Die meisten unterstützen ihre Kinder in guten wie in schlechten Zeiten dabei ihren Lieblingssport zu betreiben, ohne dabei aufdringlich zu sein. Dann gibt es da aber auch noch eine Hand voll Eltern, die das Erlebnis für alle Beteiligten kaputt machen. Wir reden hier von denjenigen, die sich nicht zusammenreißen können und sowohl den Schiedsrichter, die Gegner als auch die eigenen Spieler schikanieren.
Besseres Benehmen am Spielfeldrand
Die dänische Ballspiel-Union (DBU) hat es sich zum Ziel gemacht, dies zu ändern. Mit der Kampagne "Vergiss den Respekt nicht - auch am Spielfeldrand" wurden Eltern aufgrund einer umfangreichen Studie dazu aufgefordert, sich am am Spielfeldrand besser zu benehmen. 20 % der 1071 befragten Fußballschiedsrichter aus Dänemark berichteten, dass sich das Benehmen der Eltern auf der Zuschauerbank verschlechtert hat. Hierbei handelte es sich um persönliche Angriffe auf das Aussehen der Spieler oder deren Fertigkeiten mit dem Ball.
Obwohl genau so viele Schiedsrichter berichten, dass sich das Verhalten der Eltern am Seitenrand verbessert habe, legt DBU den Fokus darauf das Verhalten derjenigen zu verbessern, die für eine schlechte Stimmung sorgen.
"Es gibt reichlich Menschen, die sich ordentlich benehmen können. Aber es gibt eben auch diejenigen, die im Eifer des Gefechts Dinge tun, die sie nicht getan hätten, wenn sie noch einmal darüber nachgedacht hätten. Wir tragen alle die Verantwortung dafür, dass wir auf und neben dem Feld in einem anständigen Ton miteinander sprechen", sagt Bent Clausen, DBU's Vizepräsident, laut der Zeitung "Aarhus Stiftstidende".
6 von 10 Vereinen haben bestimmte Regeln
"Wir haben die Kampagne auf Wunsch von Schiedsrichtern und anderen aus der Fußballwelt gestartet, da es einige gibt, die den Respekt verlieren, wenn sie am Platzrand stehen. Wir möchten, dass Eltern gute Vorbilder sind. Wir teilen uns alle die Verantwortung", erzählt Clausen auf TV2.
In einem anderen Teil der Studie wird beschrieben, dass 60 % der dänischen Fußballvereine in deren Vereinspolitik bestimmte Regeln über erwünschtes Verhalten von Trainern, Eltern usw. haben. Clausen freut diese Zahl und fordert jeden Trainer dazu auf, das Problem an der Wurzel zu packen - in jeder Mannschaft eines jeden Vereins.
"Das Problem muss in den Mannschaften angepackt werden. Wir hätten gerne noch mehr Unterstützung dabei, da wir wissen, dass es junge Spieler gibt, die aufhören, da sie die Rufe von der Seitenlinie nicht ertragen können", sagt er abschließend.
5 Ratschläge
Der ehemalige Nationalspieler Martin Jørgensen wurde zur Galionsfigur der 5 guten Ratschläge, um das Rufen und Schreien von Eltern am Seitenrand zu beenden. In seiner eigenen Position als Trainer einer U14-Mannschaft des AFG beschloss er ganz klar, dass der einzige, der über das Feld rufen sollte, der Trainer selbst ist. Mutter und Vater sollen sich vor allem darauf konzentrieren, Mutter und Vater zu sein.
"Es ist eigentlich ganz einfach - Fußball soll den Kindern Spaß machen und man sollte einen angemessenen Ton benutzen. Am schlimmsten ist es, wenn Eltern anfangen die Kinder oder den Schiedsrichter anzuschreien. Das kann zur Folge haben, dass die Kinder sich unter Druck gesetzt fühlen. Außerdem kann es sein, dass ich den Kindern vor dem Spiel eine bestimmte Aufgabe gegeben habe und wenn die Eltern dann etwas gegensätzliches rufen, kann das die Kinder verwirren!", sagt Jørgensen.
Verhaltensregeln-Vetrag für Eltern
Auf der anderen Seite von Öresund können die Schweden nur zustimmend nicken, wenn sie von der Problematik der überengagierten Eltern hören. Auf Grund von einer nationalen Studie über übereifrige Eltern, haben die drei größte Fußballvereine Stockholms, der Hammarby IF, AIK und Djurgården IF erstmalig einen Kodex für Eltern entwickelt. Dieser muss wie ein Vertrag von den Eltern unterzeichnet werden, bevor sie die Spiele ihrer Kinder vom Spielfeldrand sehen dürfen.
Die Untersuchung zeigte nämlich, dass einer von drei jungen Fußballspielern wegen Zwischenrufen überlegt hat, mit dem Spielen aufzuhören. Außerdem haben 83 % der Eltern angegeben, dass sie andere Eltern dabei beobachtet haben, wie sie ihre Kinder zu sehr unter Druck gesetzt haben und den Schiedsrichter schikaniert haben. 1600 Eltern hatten den Kodex bis Weihnachten unterschieben.
"An unseren Werten zu arbeiten ist wichtig, vielleicht ist es sogar die wichtigste aller Aufgaben, an denen wir als Verein arbeiten. Ein Teil der Arbeit ist es, den Eltern klar zu machen, dass ihr Verhalten verantwortungsvoll sein sollte. Diese Verantwortung und wie man sein Kind am besten unterstützt haben wir in diesem Kodex zusammengefasst", erklärt Geschäftsführer vom Hammarby IF Peter Kleve in einer Pressemitteilung.
Kinder sollten nicht unter Druck gesetzt werden
Laut Reinhard Stelter, dänischer Professor in Sport- und Coaching-Psychologie am Institut für Sport und Ernährung an der Kopenhagener Universität, sollte die Rolle von Eltern und Trainer klar voneinander getrennt sein und bleiben.
"Dass die Eltern am Sport ihrer Kinder teilnehmen ist unglaublich wichtig, aber man muss dabei bedenken, dass es sich hier um das Projekt der Kinder handelt, nicht um das eigene", sagt Stelter laut DR und erzählt weiter: "Am schlimmsten ist es, wenn die Eltern Ansprüche an die Leistungen der Kinder entwickeln. Man darf das Kind nicht unter Druck setzen, nur weil man als Elternteil bestimmte Vorstellungen hat".
Stelter meint, dass der generelle Druck der Gesellschaft, sich zu verbessern, schwer auf den Schultern der Kinder lastet. Es ist nicht genug nur in der Schule gut zu sein, viele Eltern erwarten darüber hinaus, dass ihre Kinder auch beim Sport glänzen. Er fordert deswegen, genau wie Jørgensen, dass Eltern Eltern bleiben und nicht zu Trainern werden sollen.
Verhalten färbt ab
"Es geht darum, dass Verhalten ansteckt. Wenn es toleriert wird, dass jemand Kraftausdrücke und Beleidigungen ruft, denkt der Nächste, dass er das auch darf. Und irgendwann wird es zu etwas, was man einfach so macht. Hier geht es darum, welches Benehmen wir erlauben und zulassen", sagt Verhaltensexperte Tony Evald Clausen laut Århus Stiftstidende.
Zurück zur Untersuchung von DBU. 5 % der Befragten gaben an, dass sie nicht eingreifen würden, wenn ein anderes Elternteil am Spielfeldrand steht und rumschreit. In einer Gruppe traut sich jeder Vierte nicht einzugreifen - ein Phänomen, das Experten "The Bystander Effect" nennen, also der "Zuschauereffekt".
"Wenn die Mehrzahl der Leute nichts sagt, bekommt derjenige, der am lautesten schreit, das Gefühl sein Verhalten sei in Ordnung und wird sogar unterstützt." Tony Evald Clausen ist auch der Meinung , dass wir uns als Menschen mehr und mehr darüber definieren, wie gut unsere Kinder sich machen.
"Das Bedürfnis, dass wir als Eltern möchten, dass unsere Kinder es einmal besser haben als wir selbst, ist tief in uns verankert. In Dänemark sind wir inzwischen so weit gekommen, dass Eltern denken, sie alleine wissen, was gut für ihr Kind ist und dementsprechend auch wissen, was alle anderen Kinder brauchen. Einige Eltern haben Schwierigkeiten zu sehen, wann sie die Grenze (teilweise weit) überschreiten - auch wenn sie am Spielfeldrand beim Spiel des Sohnes stehen.", sagt Clausen abschließend.